Azubis mit ADHS im Betriebsalltag

Die Ausbildung von Azubis mit ADHS kann anstrengend sein. Doch die Mühe lohnt sich meist, denn richtig eingebunden können sie sich zu hochmotivierten, zuverlässigen Mitarbeitern entwickeln. Dabei sind es oft ganz einfache Dinge, die zu einer positiven Entwicklung beitragen, wie das Vermitteln von Vertrauen und Wertschätzung oder klare Strukturen und Regeln. Auch das Aufteilen von Arbeiten in überschaubare Schritte hilft ungemein. Und wenn Ihr Azubi mal wieder völlig unverständlich reagiert, denken Sie einfach daran, dass dies vermutlich Zeichen seiner ADHS ist und bleiben Sie gelassen! Erfahren Sie hier mehr darüber, wie Sie einen Azubi mit ADHS erfolgreich in Ihren Betriebsalltag integrieren können.


Konzentration erleichtern – Ablenkung reduzieren, lautet hier die Devise. Entsprechend ist für Menschen mit ADHS generell ein ruhiger, reizarmer Arbeitsplatz wichtig. Das bedeutet, dass Großraumbüros oder Gruppenarbeitsplätze eher kontraproduktiv sind. Auch Arbeitsplätze direkt am Fenster bieten unter Umständen zu viel Ablenkungspotenzial. Einzelarbeitsplätze, wenn möglich in der Nähe des Ausbilders oder einer Person mit Vorbildfunktion, sind da deutlich besser. Sind Routinearbeiten zu erledigen, hilft bei einigen ADHSlern Hintergrundmusik bei der Konzentration. Jedoch ist dies nicht bei allen der Fall. Bei anspruchsvollen Arbeiten, die eine hohe Konzentration erfordern, sollte die Musik jedoch ausgeschaltet sein. Eine gute Beleuchtung sowie Belüftung des Arbeitsplatzes unterstützen die Konzentration zusätzlich.

„Reizarmut“, sprich „Ordnung“, sollte insbesondere für den Schreibtisch bzw. Werkplatz des Azubis gelten. Das heißt: Nur was für den aktuellen Arbeitsgang benötigt wird, sollte sich darauf befinden. Getränke, Nahrungsmittel, Handy und private Dinge haben darauf nichts zu suchen. Vereinbaren Sie mit ihrem Azubi, dass er oder sie seinen/ihren Platz nach jedem Arbeitsgang aufräumt und an jedem Abend stets aufgeräumt verlässt. Und: Achten Sie darauf, dass er/sie es auch macht! Das gleiche gilt übrigens für das ordentliche Führen seines Berichthefts.

Noch mehr als andere Menschen brauchen ADHSler regelmäßige Pausen. Legen Sie diese am besten individuell fest. Bewährt haben sich z. B. alle 30 Minuten eine Kurzpause von 3 bis 5 Minuten, nach 2 Stunden eine längere Pause von ca. 15 Minuten sowie nach 4 Stunden eine mindestens 1-stündige Pause. Idealerweise kann die Pause für Bewegung genutzt werden, z. B. um den Block laufen, sich strecken, Arme und Beine lockern etc. Die Bewegung ist für die Betroffenen wichtig, um Spannungen abzubauen und die Konzentrationsfähigkeit zu erhalten.

Das A und O dafür, dass Ihr Azubi seine Ausbildung erfolgreich meistern kann, sind klare Strukturen und Regeln! Ein wichtiges Instrument, um Ordnung und Struktur in den Alltag Ihres Azubis zu bringen, sind Tages- und Wochenpläne, die Sie gemeinsam mit ihm anlegen, durchgehen und gut sichtbar anbringen sollten. Ebenfalls hilfreich ist das Erstellen von Checklisten für komplexe, mehrstufige Vorgänge, z. B. für Arbeitsabläufe in mehreren Schritten oder einfach für alles, was ihr Azubi immer wieder vergisst. Besonders am Anfang ist es wichtig, dem Jugendlichen jeweils eine klare, für sie/ihn zeitlich überschaubare Aufgabe zu übertragen. Bei der Bewältigung mehrerer Aufgaben gleichzeitig besteht die Gefahr, dass er/sie sich verzettelt. Vielschichtige Aufgaben sollten dementsprechend in einzelne Teilschritte unterteilt und nacheinander abgearbeitet werden. Lassen Sie Ihren Azubi dabei immer nur einen Schritt bearbeiten. Klappt es trotz allem nicht, versuchen Sie herauszufinden, woran es liegt, dass Ihr Azubi Arbeiten nicht zu Ende bringt oder bewältigt. Oft sind fehlende Strukturen, unklare Anweisungen oder Überforderung die Ursache.

Hier geht es darum, z. B. spontane Eingebungen, vorschnelle Handlungen, unpassende Kommentare oder den Rededrang Ihres Azubis in den Griff zu bekommen. Des Weiteren können unangemessen impulsive oder gar aggressive Reaktionen den Betriebsalltag mit ADHS-Betroffenen zu einer Herausforderung machen. Bei extremen Reaktionen sollten Sie Ihren Azubi am besten aus der Situation herausnehmen und ihm/ihr eine kurze Pause an einem Ort, wo er/sie sich zurückziehen kann, verordnen. Klären Sie in einem anschließenden Gespräch, was die Reaktion ausgelöst hat und bitten Sie ihn, das nächste Mal tief durchzuatmen und rückwärtszuzählen oder rechtzeitig um eine Pause zu bitten. Vor Besprechungen können Sie ihn bitten, jedes Mal, wenn er sich zu Wort melden will, seine Gedanken erst einmal aufzuschreiben. Lassen Sie sich außerdem nicht in Diskussionen verwickeln, sondern bieten Sie ggf. an, ein Thema später zu klären. Außerdem können Sie mit Ihrem Azubi Stoppzeichen vereinbaren, die Sie oder Mitarbeiter einsetzen können, wenn er/sie über das Ziel hinausschießt, z. B. Handzeichen, Karten etc.

Die Leistung und das Verhalten junger Menschen mit ADHS hängen meist stark von ihrer Motivation ab. Insbesondere für wenig attraktive Aufgaben können sie sich oft nur unter großen Anstrengungen motivieren. Dazu kommt, dass viele von der Erfahrung häufiger Misserfolge geprägt sind. Zusätzlich fehlt es meist an Strategien, wie Aufgaben geplant und erfolgreich abgeschlossen werden können. Umso wichtiger ist für diese jungen Menschen Motivation und Bestätigung von außen.

  • Wertschätzung: Die einfachste Möglichkeit, sie zu motivieren, ist deshalb, ihnen Wertschätzung zu vermitteln! Loben Sie Ihren Azubi deshalb so oft wie möglich. Am besten auch schon dann, wenn er sich offensichtlich bemüht hat. Schenken Sie ihm/ihr positive Aufmerksamkeit und vermitteln Sie ihm/ihr das Gefühl, geachtet und respektiert zu werden. In einem Klima der Wertschätzung wachsen junge Menschen mit ADHS oft über sich hinaus.
  • Talente suchen: Ebenfalls eine einfache Möglichkeit zur Motivation ist es, Ihren Azubi mit Aufgaben zu betrauen, die ihm oder ihr besonders gut liegen. Finden Sie also heraus, was er oder sie besonders gut kann und versuchen Sie, diese Stärken gezielt im Betriebsalltag einzusetzen. Die Erfolgserlebnisse, die Ihr Azubi auf diese Weise verbuchen kann, werden die Motivation und den Einsatz beflügeln.
  • Besser kleine als keine Erfolge: Natürlich muss Ihr Azubi auch Dinge erlernen, die ihm vielleicht nicht so liegen. Hier ist es sinnvoll, den Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe so zu wählen, dass der/die Jugendliche eine gute Chance hat, sie auch zu bewältigen. Denn gerade kleine Erfolgserlebnisse lassen ihn mit den Aufgaben wachsen. Hat der Azubi eine „unliebsame“ Arbeit erledigt, bietet es sich, an, ihn als Belohnung wieder etwas machen zu lassen, was er sehr gerne macht.
  • Mutmach-Sprüche: Wenn Sie merken, dass sich Ihr Azubi mit einer Aufgabe schwer tut, können Sie ihn, neben fachlichen Hinweisen, auch mit Mutmach-Sprüchen anspornen. Zum Beispiel mit Sätzen wie „Los, das schaffst du schon“, „Mach weiter, es fehlt nicht mehr viel“, „Ich weiß, dass du das kannst“.
  • Feedback geben: Junge Menschen mit ADHS tun sich oft schwer damit, ihr eigenes Leistungsvermögen und ihre Leistungen einzuschätzen. Häufig schätzen sie sich schlechter ein, als sie tatsächlich sind. Umso wichtiger ist es für sie, regelmäßig Feedback zu ihren Arbeitsergebnissen, aber auch zu ihrem Verhalten zu bekommen. Am besten richten Sie dazu feste „Sprechzeiten“ mit Ihrem Azubi ein, die natürlich auch für andere Themen genutzt werden können.
  • Die Rolle des Ausbilders: Eine positive Beziehung zum Ausbilder/zur Ausbilderin ist für Azubis mit ADHS mindestens genauso wichtig wie klare Strukturen und Regeln! Regelmäßiges Feedback, häufiges Lob und Belohnungen sind bei diesen Azubis positive Verstärker und funktionieren wesentlich besser als Tadel und Bestrafung. Seien Sie im Umgang konsequent, aber geduldig. Und wenn ihr Azubi mal wieder über das Ziel hinausschießt oder schon wieder etwas vergessen hat, nehmen Sie es auf keinen Fall persönlich. Reagieren Sie gelassen und zeigen Sie Verständnis. Auch Humor kann dabei helfen, so manche Situation zu entspannen und aufzulockern!

ADHS-Ausbildungskompass

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